«Regionale Produktion, traditionelle Verarbeitungstechniken und Unikate – dafür stehen die vorgestellten Labels und Designer an der Blickfang», betonte Geschäftsführerin Jennifer Reaves während des Presserundgangs in Basel. Ein Punkt, der in einer Halle voll mit stylischen, formschönen Produkten vielleicht tatsächlich etwas vergessen geht.
Was aber auch daran liegen mag, dass sich die Blickfang selbst «Design Shopping Event» nennt und nicht Messe für Nachhaltigkeit und Handwerk, wie es etwa die Designgut oder die noch ganz neue Criterion tun. Eigentlich schade, denn alle hier gezeigten Labels setzten neben Ästhetik auch auf nachhaltige Materialien, Langlebigkeit, faire Arbeitsbedingungen in den Produktionsstätten und die Erhaltung oder Wiederbelebung alter Handwerkskünste.
Diese sich selbst auferlegte Rolle zwingt die Designer auch immer wieder neue Wege zu gehen oder sich gar ständig neu zu erfinden. Ein gutes Beispiel dafür ist die Marke MFSystem, das sich auf systemische Regale, Sideboards und Kommoden spezialisiert hat, die man individuelle zusammenstellen und erweitern kann. Nun wollten die Möbelmacher aber auch einen Tisch ins Sortiment aufnehmen, der vom Kunden selbst mitgestaltet werden kann. So entstand ein Tisch aus einer selbst wählbaren Platte und einfachen Metall-Hockern als Füssen, die der Kunde selbst zusammen biegt, um Kosten zu sparen. Die Konstruktionsart des Tisches vereint aber nicht nur Individualität und Erschwinglichkeit., er hat auch noch den Vorteil, dass er bei Bedarf ganz schnell auf- und abgebaut werden kann – was ihn für Ateliers und Schulen interessant macht.
MFSystem ist dabei nur eines von vielen guten Beispielen aus der innovativen Schweizer Designbranche. Sechs weitere Labels und Designer, die meine Aufmerksamkeit dieses Jahr besonders auf mich zogen, findet ihr gleich im Anschluss. Bereits vorweg: Sie kommen diesmal alle aus dem Mode- und Textilbereich.
Risa – Strohhalme und Wolle
Seit hundert Jahren gibt es die Hutmacherei Risa aus Hägglingen schon. Wobei Gabriela und Julian Huber die Firma erst seit acht Jahren unter diesem Namen führen – und der Aargauer Betrieb zwischenzeitlich auch Knöpfe, Dörrfrüchte und Regenmäntel vertrieb (die ganze Geschichte dazu könnt ihr hier lesen). Heute werden in der Manufraktur von Risa jedenfalls im Jahr rund 9000 Stroh- und Filzhüte sowie Schiebermützen mit grösster Sorgfalt und Leidenschaft hergestellt.
Während einige Modelle wie der klassische Panama oder Sommerhüte mit breiter Krempe zur Basic-Ausstattung des Labels gehören, wechselt sich die Modelle der Sommerkollektion jedes Jahr ab. So sind es dieses Mal mehrfarbige Trilby-Hüte mit oder ohne Stoff-verkleiderter Krempe. Neben den Farben und Mustern sollte man bei Risa aber auch auf die Machart achten. So werden viele Modelle aus sogenannten Mottlets hergestellt – meterlangen schmalen Strochgeflechten, die spiralförmig um den ersten Ausgangspunkt herumgenäht werden, bis ein kompletter Strohhut entsteht. Übrigens eine typische Herstellungsart aus dem Aargau wie Julian Huber erklärt.
Mehr Infos gibt es hier oder aus erster Hand im Zürcher Laden
Klar – Österreichisches Garn
Dieses Jahr lädt die Blickfang an all ihren Standorten (Basel, Zürich, Wien, Stuttgart, Hamburg) zum Besuch in der Österreich Lounge. Hier gibt es neben leckeren Häppchen und ein Paar Tipps des Toursimusbüros natürlich auch etwas fürs Auge. Sechs Labels aus dem Mode- und Interior-Design können sich so einer internationalen Plattform zeigen.
Besonders herausgestochen ist dabei Klar von Klara Neuber. Die zeigt in ihren Designs wie modern traditionsreiche, alpine Materialen wirken können. Für ihre Damenkollektion hat sie Mühlviertler Flachs, Viskose aus Lenzig (bekannt für ihre Qualität) robusten indigogefärbtem Köperstoff (ähnlich wie Jeans) aus Hanf verwendet. Für die Umsetzung ihrer Kollektion kooperiert Klara Neuber mit regionalen Manufakturen, co-kreiert mit KünstlerInnen und stellt das Material ins Zentrum ihrer kreativen Arbeit.
Zur Webseite und dem Onlineshop geht er hier
Komana – Punkt für Punkt
Ich bin schon sehr lange Fan des Labels Komana der Schwestern Livia und Nina Henne. Die von Livia handgezeichneten Muster werden in einer zertifizierten Betrieb in Indien in Siebdrucke verwandelt und auf ökologische Baumwoll-, Bambus- und Wildseidenstoffe gedruckt. Dieses Jahr hat sich die Designerin erstmals einer sehr traditionellen Druckmethode, dem Blockdruck zugewannt, bei dem die Muster in Holzstempel geschnitzt werden.
«Es war eine sehr spannende, aber auch herausfordere Art des Designs», meint Livia Henne schmunzelnd. Entstanden sind unter anderem bunte Blusen mit Zackenmustern, wallende Hemdkleider mit Polkadots und Tuniken mit Sternmuster. Ebenfalls ein Erstling ist die kuschligweiche Überdecke mit dunkelblaumen, geometrischen Print und türkisfarbigen Handstickereien, von der Livia bisher erste eins zwei Prototypen herstellen liess. Kann man nur hoffen, dass sie es bald in den Webshop schafft!
Zur Kollektion und allen Informationen gelangst du auf der Webseite
Old Captain Co. – Massgeschneiderte Kunst
Seit 2016 hat Musiker, Radio-Dj und Skateboarder Yari Copt eine Mission: Kein Schweizer Mann soll mehr einen Grund haben kein Hemd zu tragen. «Den wenigsten passt ein Hemd ab Stange wie angegeossen. Es ist immer ein paar Zentimeter zu kurz, zu lang, zu weit, zu eng», so der Designer. Deshalb kann man bei seinen Hemden nicht nur Dessin, Kragenform und die Anzahl der Brusttaschen selber auswählen, sondern es sich auch auf den eigenen Körper masschneidern lassen. Gilt übrigens seit kurzem auch für Frau Schweizer.
Genäht werden die Hemden von Old Captain Co. ein Kilometer von Yari Copts Heimatstadt Lugano entfern. Bedruckt werden die Stoffe der Spezial-Kollektion ebenfalls nur eine Autostunde von Lugano entfernt von Leggiuno, einer Weberei, die es seit 1908 gibt. Die Designs dafür stammen von jungen befreundeten Künstlern aus dem In- und Ausland.
Mehr Infos und zur Übersicht der Verkaufsorte findest du hier
Protsaah – Handcrafted Peace
Gewobene Körbe, Schmuck, Schals, Etuis und Umhängetaschen: Alle Stücke von Protsaah werden in Zürich designt und in liebevoller Handarbeit in verschiedenen Konfliktzonen umgesetzt. So werden die handgeflochtenen Körbe – inspiriert von Geschichten ruandischer Frauen – beispielsweise in einer Kooperation mit All Across Africa umgesetzt. Die Schals aus feinster Pashmina-Wolle wiederum kommen aus dem Kashmir Tal und werden dort von Hand bestickt, was rund ein Jahr in Anspruch nimmt.
Ein weitere Zusammenarbeit gibt es mit einem Betrieb in Ouagadougou. In der Hauptstadt Burkina Fasos weben Flüchtlingen aus Mali auf traditionellen Webstühlen bunt gemusterte Gewebe, die zu Etuis, Kissenhüllen und Taschen verarbeitet werden. Die kunstvollen Stoffe sollen bald auch für Kleider verwendet werden, wie Label-Gründerin Saloni Duggal Shrestha erklärt. Geplant ist dafür eine Zusammenarbeit mit hiessigen Flüchtlingsorganisationen, denn die Kleider sollen in der Schweiz genäht werden. «Wir führen bereits Gespräche mit Designern, die sich Gedanken machen, wie man diese Gewebe am besten verarbeiten kann. Das besondere an ihnen ist nämlich, dass sie nur rund 50 Zentimeter breit sind, da sie auf traditionellen Handwebstühlen gewebt werden», so Saloni Duggal Shrestha.
Alle Informationen zu den Kollektionen und Verkaufsorten gibt es auf der Webseite
Tabitha Wermuth – Spiel mit den Oberflächen
Samt, Feinripp, Babycord und glatter Strick mit einem leichten Glanz: Bei den Stücken von Tabitha Wermuth dreht sich alles um die Oberfläche. Obwohl das manchmal auch purer Zufall ist, wie die Designerin zugibt: «Ich suche immer zuerst den Stoff aus und lasse mich dann zu einem passenden Schnitt inspirieren.»
Für ihre Kollektionen verwendet sie ausschliesslich vegane und verifizierte nachhaltige Materialien wie Baumwolle, Flachs, Hanf oder Tencel (eine zellulosische Chemiefaser). Die gesamte Kollektion, die aus Kleidern, Hosen, T-Shirts, Pullis und Short besteht, stellt Tabitha Wermuth in ihrem Berner Atelier her.
Zur Webseite gelangst du hier
תגובות